Muskelspannung im Schlaf – Sind alle Muskeln schlaff?
Frage
Ein Schlafmediziner hat mir gesagt, dass alle Muskeln im Schlaff völlig schlaff sind und dass es deshalb quatsch ist die Muskeln zu trainieren. Stimmt das wohl ?
Antwort
Wenn der Schlafmediziner recht hätte, würden alle Menschen versterben, sobald sie einschlafen. Schluck- und Atemfunktion und auch die Augenmuskeln sind ständig aktiv, ob wir schlafen oder wach sind. Atmen ist selbstverständlich und Schlucken muss erfolgen, um Speichel abzutransportieren und die Atemwege freizuhalten. Allein beim Schlucken werden 52 Muskeln aktiviert, Kaumuskeln, Muskeln im Mund- und Rachenraum. Am auffälligsten ist das bei der Zunge. Bei korrekter Haltung, die sich allein durch die Zungenmuskulatur anpasst und ständig erhält, behält die Zunge eine Grundform. Die Haltung ist vergleichbar mit der Hand. Wenn der Handrücken auf dem Tisch ablegt wird, bleiben Teile der Handfläche und natürlich die Finger nach oben gerichtet (auch im Schlaf). Die Muskeln in der Hand sorgen für diese Formgebung.
Ebenso sind das Herz und andere Organe ständig von Muskelaktivität abhängig. Bei den Skeletmuskeln des Körpers stellt sich in Phasen des REM-Schlafes, Traumschlaf, allerdings eine starke Muskelentspannung ein. Bei achtstündigem Schlaf würde dies etwa über eineinhalb bis zwei Stunden der Fall sein. In der anderen Zeit besteht in allen Muskeln zumindest eine Grundspannung.
Die Aufrechterhaltung im Schlaf ist notwendig für schnelle Reaktionen auf potenzielle Gefahren oder Störungen. Dieser Mechanismus hat wahrscheinlich evolutionäre Wurzeln – unsere Vorfahren mussten auch im Schlaf bereit sein, schnell auf Bedrohungen reagieren zu können.
Es wäre also korrekter zu sagen, dass es Phasen im Schlaf gibt (während des REM-Schlafs), in denen sich einige Muskeln völlig entspannen und der andere weiterhin aktiv bleiben.
Zusätzliche Info: Es gibt wissenschaftliche Hinweise dafür, dass sich auch die völlige Entspannung der Skelettmuskeln nur dann einstellt, wenn die Hirnbotenstoffe GABA und Glycin an ihre jeweiligen Erkennungsstellen andocken. Fehlt einer der beiden Transmitter oder ist einer der Rezeptoren defekt, geben die Muskeln auch im Schlaf keine Ruhe. Das könnte eine Erklärung für das Auftreten von „Restless Leg Syndrom“ (unruhige Beinbewegungen im Schlaf).
Quelle: Patricia Brooks und John Peever (University of Toronto): Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.0482-12.2012 © wissenschaft.de – Gesa Seidel.